Scholz und Macron: Der Unterschied zwischen Scholz und Macron scheint mir, dass Letzterer ein Interesse an geopolitischer Gestaltung hat. Bei Scholz beschränkt sich das, so mein Eindruck, auf wirtschaftliche Themen (globale Mindeststeuer etc.). Geopolitik als Politik der Machtverschiebung ist ihm fremd. Was auch eine Stärke sein kann.
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Redaktionsfallen & Aggregatoren-Vorteile: Sowohl
Spotify, als auch
Substack lernen das Problem der redaktionellen Verantwortung kennen. Denn sie sind keine reinen Aggregatoren, sondern haben - speziell im Fall von Spotify und Rogan - konkret "Creator" gesucht, angeworben und auch be-worben. Natürlich ist der kategoriale Irrtum, sich dennoch als reiner Vermittler zu sehen, eine Schutzbehauptung. Auf der anderen Seite funktioniert aber die Rolle als funktionaler Aggregator, nämlich die Bündelung von unterschiedlichem Content als
"Endpunkt-Medium", sehr gut: Die Gegenbewegung müsste schon massiv sein, sowohl auf "Creator", als auch auf Publikumsseite, um das Geschäftsmodell ins Wanken zu bringen.
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Das übliche Lamento: "Tod durch Algorithmus" lautet der Titel, und man ahnt, dass man sich im Feuilleton befindet. Aber es wird noch deutlicher: So lautet
das Fazit im zugehörigen Artikel (€) von SZ-Filmkritikerin Susan Vahabzadeh nach der Lektüre eines neuen Buchs über HBO. "Gute Sender (wie auch gute Filme, Verlagsprogramme und Zeitungen) werden nicht von Algorithmen gemacht, die richten sie vielmehr mittelfristig zugrunde. Die richtigen Entscheidungen treffen Menschen mit Maßstäben – und zwar ihren eigenen."
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Hier geht natürlich einiges durcheinander. Konkret ist unklar, was genau sie vergleicht. Netflix mit HBO? Netflix mit HBO früher? HBO heute mit HBO früher? Oder geht es um Zeitungen? Es wird auch nicht analysiert oder überhaupt erwähnt, dass die HBO-Strategie mit HBO Max durchaus erfolgreich und eben kein Ramsch ist - oder welche Rolle Daten wirklich bei der Entwicklung von Bewegtbild-Formaten spielen. Mich lassen solche Analysen immer ratlos zurück, weil sie wie als These verpackte Geschmacksurteile wirken. Was auch nicht erwähnt wird: Bei dem HBO-Buch handelt es sich um eine Oral History, ein Format, bei dem die Akteure oft eine gewisse Verklärung ihrer eigenen Rolle betreiben, die nur durch das Panorama der Gesamt-Anordnung relativiert wird. Natürlich wird jeder Programmchef, jede A&R-Frau in der Musikindustrie, jeder Kurator betonen, wie kreativ und losgelöst sein Prozess ist (statt über Budgets und Zufallserfolge zu sprechen).
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Mein Eindruck ist, dass diese klassische Sehnsucht nach der Zeit des "Gesamtpakets", dessen inhaltliche Entscheidungen sich nicht an Börsenkursen und Gewinnerwartungen orientieren, ein klassisches Print-Phänomen ist. Im Kern ist es das ja auch die Sehnsucht nach einer alten Zeitungsbranche, die sich tatsächlich angesichts ihrer Verbreitungsoligopole für schriftliche Tagesnachrichten lange Zeit keine redaktionellen Gedanken machen musste. Und sich deshalb Feuilletons leisten konnte, die als "freier" Teil dieses Pakets nicht auf eine breite Rezeption ihrer Texte angewiesen waren.
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Social Media und Werbeboykott-Bewegungen: Ein überraschend
hörenswerter Podcast mit Matt Rivitz, dem Menschen hinter dem
Twitter-Account Sleeping Giants, einem Pressure-Group-Account, der erfolgreich Social-Media-Plattformen an den Pranger stellt und Firmen zu Werbeboykotten aufruft. Was auch immer man von dem Konzept halten will (ich: nicht viel): Rivitz geht sehr reflektiert mit dem um, was er macht (bzw. machte, er will den Account abgeben).
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Eine Lehre: Wenn Firmen auf solche Aufrufe reagieren, tun sie es nicht aus Überzeugung, sondern weil sie ein PR-Problem sehen. Daraus zieht Rivitz zwei Schlüsse: Einmal fordert er größere Transparenz für die Reichweite von Online-Werbung, die er (IMO mit Recht) für zweifelhaft hält. Das ist Sache der Regierung. Zugleich aber fordert er einmal mehr gesellschaftliche Verantwortung von jenen Unternehmen, die eben eigentlich nur ein PR-Problem sehen. Und genau das zeigt eben den vergeblichen Kreislauf solcher Boykott-Forderungen: Nämlich die Illusion, mit ausreichend Druck statt einer Reaktion eine Einsicht zu erzeugen.
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3x Trump: 1. Donald Trump
hat angekündigt, im Falle eines erneuten Wahlsiegs über eine Begnadigung der "Aufständischen" vom 6. Januar 2020 nachzudenken. 2. In der gleichen (Wahlkampf-)Rede hat er erstmals zugegeben, dass er explizit sein Ziel beschrieben hat, damals mittels Mike Pence das Wahlergebnis umzudrehen. 3. Fast zwei Dutzend Republikaner, die öffentlich die Legitimität der Wahlergebnisse von 2020 in Frage stellen,
kandidieren in US-Bundesstaaten für das Amt des Innenministers. Innenminister spielen in den Bundesstaaten eigentlich keine besonders große Rolle, sind aber für die Organisation von Wahlen verantwortlich.
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Ukraine-Szenarien: Der Historiker Andreas Kappeler
kontextualisiert in diesem längeren Deutschlandfunk-Interview sehr hilfreich das russisch-ukrainische Verhältnis - und die Narrative, die daraus gestrickt werden. Seine Prognose für die nächsten Monate: Russland wird die Expansion in kleinen Schritten weitertreiben und den Krim-Weg auf den Dombås übertragen (also Anerkennung der "Volksrepubliken Donezk/Lugansk", Unabhängigkeitserklärung der beiden Republiken, Bitte von dort um Hilfe gegen "Aggression" der ukrainischen Armee und Bitte um Aufnahme in die russische Föderation). Das erscheint insofern logisch, als die westliche Erwartungshaltung inzwischen von einer klassischen Invasion ausgeht - und die "kleineren Varianten" der westlichen Öffentlichkeit trotz Bruch des Völkerrechts als Eskalationsgrund sehr viel schwerer zu vermitteln wären.
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Böhmermann-Kontroversen: "'Die Welt', Böhmerman und die 'Twitter'-Blase. Ein perfekt aufeinander abgestimmtes Ökosystem das ohne den jeweils anderen gar nicht mehr existieren würde. Wie unglaublich kontrovers, brisant und skandalös das doch alles schon wieder ist. Wie bei einem Brainstorming bei dem man im Kreis sitzt und sich gegenseitig den Ball zuwirft damit es dann weiter geht."
Diesem Zitat aus Reddit ist nichts hinzuzufügen.
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Genesenenstatus, Nachklapp (zitiert): "Ähnlich unklar der Verweis auf die Siren-Studie, die über 40.000 britische Gesundheitsmitarbeiter begleitet. Seit Ankunft der Omikron-Variante auf der Insel gibt es unter ihnen einen deutlichen Anstieg der Reinfektionen. Nach einer ersten Auswertung schützt eine frühere Infektion nur noch zu 44 Prozent vor einer Omikron-Ansteckung. Aber: Der Abstand zwischen der ersten und zweiten Infektion wurde nicht aufgeschlüsselt. Lässt der Immunschutz also schneller nach? Schwer zu sagen." (
Volkart Wildermuth, Deutschlandfunk)
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Gewohnheiten: Drüben im Blog ein paar Notizen zu Gewohnheiten - bzw. zu den Zwängen, aus denen wir uns mit diesem Thema beschäftigen.
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China-Politik: Dass die deutsch-litauische Handelskammer
Druck auf Litauen ausübt, im Streit mit China einzulenken, ist kein Skandal. Aber es zeigt eben, dass die angekündigte "wertebasierte Außenpolitik" im Alltag auf ein nicht nur geduldetes, sondern gewolltes Primat wirtschaftlicher Interessen trifft. Weiterhin.
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Bundestag: Etwas surreal, Jens Spahn in seiner neuen Rolle über Wirtschaftspolitik und den ehemaligen Berliner Regierenden BGM Michael Müller ausgerechnet über Außenpolitik sprechen zu hören. Bei Spahn macht ein Wirtschafts- und Klimaportfolio qua Themenrelevanz Sinn, aber dass die SPD für Müller nichts Adäquateres gefunden hat, ist sehr verwunderlich.
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Max Eberl: Ich entferne mich persönlich immer stärker vom professionellen Fußball. Aber gerade weil es ein unehrliches Geschäft ist, gehört Max Eberl viel Respekt. Der Eindruck aber ist: Der Profifußball erscheint uns gerade dann menschlich, wenn er selbst mal wieder einräumt, mit dem Menschlichen nicht klar zu kommen. Das ist irgendwie krank und eine Showbiz-Logik. (die beste Analyse zu Mönchengladbach aus den letzten Tagen habe ich übrigens
auf diesem Blog gelesen).
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Kein Krieg während der Olympischen Spiele: John Ellis hatte es in
seinem sehr guten Newsletter bereits vor einigen Tagen erwähnt: Putin wird China nicht verärgern und deshalb keinen Krieg während der Olympischen Spiele führen. Bis zum 23. Februar sind also keine weiteren Entwicklungen zu erwarten. Das ist offenbar auch
die Einschätzung der US-Regierung.
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Zitiert: "Vladimir Putin likes to say that playing chess with the United States is like playing against a pigeon: It struts around the board, knocks over the pieces, shits everywhere, and then declares victory. Playing chess with Europe, in contrast, must be like playing with a child who has forgotten the rules of the game, claims to have invented new ones, and then sulks when no one wants to play." (
Tom McTague, The Atlantic)
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Genesenenstatus (was fehlt): Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage verkürzt das RKI den Genesenenstatus auf drei Monate? Leider habe ich dazu in den Print- und Online-Medien bislang nichts gefunden, sondern tatsächlich einen
sehr hilfreichen Thread auf Reddit. Fazit, soweit ich das herauslese: Die Studie ist problematisch, weil sie verschiedene Zeiträume für den Vergleich geimpft vs. genesen verwendet. Aber eigentlich hätte ich dazu gerne noch Fach-Einschätzungen gelesen. Seltsam, dass das kein Thema ist.
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Kleines Update: Hier hat sich jetzt der Generalsekretär der Gesellschaft für Immunologie
zu Wort gemeldet. Sein Fazit: Wer den Genesenenstatus verkürzen möchte, muss eigentlich auch den Geimpftenstatus verkürzen.
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Epstein-Barr, das Zivilisationsvirus? In den letzten Wochen scheint noch einmal deutlich geworden zu sein, welche zentrale Rolle dem Epstein-Barr-Virus bei schwer erklärbaren Krankheiten einnimmt. Erst die Bestätigung der Vermutung, dass das Virus ein
zentraler Faktor bei Multipler Sklerose ist. Und jetzt eine weitere Studie, die eine Reaktivierung von Epstein-Barr als
Faktor für Long Covid identifiziert. Was letztlich logisch ist, denn Long Covid legt eine Autoimmunreaktion nahe. Nun sollte man natürlich in der jetzigen Phase (und der Komplexität von Autoimmun-Reaktionen) keinen "Bösewicht-Virus" konstruieren. Aber angesichts dessen, wie langwierig und einschränkend autoimmune Erkrankungen sind, ist es ein Glücksfall, dass Moderna mit
einem ersten Impfstoff in die Testphase geht.
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Böses Blut: An
diesem Artikel über den fortgesetzten redaktionellen Abriss im Stuttgarter Pressehaus sind auch die Kommentare zweier offensichtlicher Insider drunter sehr interessant. Das böse Blut, es fließt seit Jahren reichlich in der Medienbranche, und kompetentes Change-Management jenseits von Renditeerfüllung und Luftschloss-Prognosen ist leider rar. Aber das wird, ich
erwähne es regelmäßig, dann immer erst hinterher öffentlich thematisiert.
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Seitenwechsler: Zwei Abgänge aus dem Gesundheitsministerium. Christian Klose, Leiter der Unterabteilung "Gematik, Telematikinfrastruktur und eHealth", wechselt als Client Partner zu IBM. IBM hatte bekannterweise den Lead-Auftrag bei der Entwicklung der CovPass-App bekommen. Und Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter Digitalisierung im Gesundheitsministerium,
wechselt zur Telekom, laut Spiegel sogar zur Gesundheitssparte von T-Systems. Mit T-Systems hatte Ludewig eng bei der Entwicklung und Betreuung der Corona-Warn-App zusammen gearbeitet. Deren Betriebsvertrag wurde am Freitag vor der Bundestagswahl von der alten Regierung noch einmal bis Ende 2022 verlängert.
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Es wäre also Zeit, die Anzeigepflicht und Zuständigkeit der dreiköpfigen Ethikkommission auch auf Abteilungs- und Unterabteilungsleiter auszudehnen (wobe ich überhaupt nicht sagen kann, ob die Ethikkommission einen guten Job macht). Eine Einbeziehung ergibt sich zum Beispiel logisch auch aus dem Lobbyregister, dort sind Interessenvertreter auch dann registrierungspflichtig, wenn sie nicht bei Ministern oder Staatssekretären, sondern "nur" bei Abteilungs- und Unterabteilungsleiter vorstellig werden.
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Re: Luca Es ist etwas befremdlich: Viele von jenen, die sonst immer davor warnen, alles auf die "Digitalisierung" zu schieben, stehen nun bei der Luca-App auf der Matte, um die Software für die
jüngste Polizei-Zugriffe verantwortlich zu machen. Als hätte es nicht davor die Versuche gegeben, sich die Papier-Gästelisten zu besorgen (und dort bräuchte man, anders als bei Luca, nicht einmal das Gesundheitsamt). Das Problem ist, dass solche "Versuche" ohne Konsequenzen bleiben - und in dem Fall im betroffenen Gesundheitsamt nicht einmal das Bewusstsein herrschte, dass mit der Herausgabe gegen den Datenschutz verstoßen wird. Es gab und gibt gute Argumente gegen Luca, aber sie zu einem Prügelknaben für etwas zu machen, was auch physisch möglich wäre, ist nicht okay.
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Kirchen und Big Data: Das WSJ hatte rund um Weihnachten eine Geschichte,
wie amerikanische Kirchen über personalisierte Werbung Menschen in Krisen suchen, um ihnen zu helfen und sie sich zuzuführen. De facto zeigt das die Digitalisierung des Geschäftsmodells: Gloo heißt die Firma, die den Kirchen entsprechend Kontaktadressen und Telefonnummern zuführt. Eigentlich läuft es so: Gloo wertet Dateien von Drittparteien aus, schaltet personalisierte Google- oder Social-Werbung, zum Beispiel für christliche Männer, die sich gerade scheiden lassen, führt die auf eine Landing Page, wo diese Männer ihre Daten eingeben können, um regional kontaktiert zu werden und spirituelle Unterstützung zu bekommen. Dann gibt sie die eingegebenen Daten an ihre Kunden in der entsprechenden Region weiter. Man übernimmt also als Zwischenhändler die Kundenakquise. Das dürfte seitens der Kirchen ein gutes Investment sein, denn aktive Kirchenmitglieder spenden über die Jahre in der Regel sehr, sehr ordentlich.
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Kirchen und Corona: Dazu passend hat der
Economist eine längere Geschichte über die Krise der Religionen, die durch Corona noch verschärft wird. Beziehungsweise: Die Verlierer werden noch mehr verlieren, im Bereich christlicher Kirchen zum Beispiel stärker fusionieren müssen. Auch das passt gut zu obigen Versuchen, zielgenau digital Mitglieder zu werben.
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Was beide Artikel gemein haben: Ein Blick auf organisierte Religion aus dem Blickwinkel des Geschäfts - und eine Beschreibung der Digitalisierung des bisherigen Geschäftsmodells.
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Web3: Moxie Marlinspike hat auf seinem Blog
eine sehr gute Analyse zu Web3 veröffentlicht, die ich nur ans Herz legen kann. Im Kern seiner Aussage: Wir können nicht erwarten, dass sich jeder Mensch Server ins Wohnzimmer stellt. Wir können nicht einmal mehr erwarten, dass das Firmen tun. Mit dem Smartphone hat sich das Client-Server-Prinzip final etabliert, deshalb kann "Web3" nie wirklich dezentralisiert sein, sondern die Firmen, die Server für die Blockchain-Calls/Verifizierungen betreiben, werden zu Plattformen (also Infura, Alchemy). Und damit auch zu neuen Gatekeepern. Ganz nebenbei zeigt Marlinspike, wie fragil das Ganze NFT-Verweissystem ist. Wie gesagt, sehr, sehr lesenswert.
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Zentrales Zitat:
"Given the history of why web1 became web2, what seems strange to me about web3 is that technologies like ethereum have been built with many of the same implicit trappings as web1. To make these technologies usable, the space is consolidating around… platforms. Again."#
Nanny-Staat und delegierender Staat: Die Medien-Politiktwitter-Analyse, die
Juli Zeh im ZEIT-Interview (€) vornimmt, fand ich eher weniger interessant. Bemerkenswerter fand ich ihre Staatskritik: Die Bundesrepublik als Nanny-Staat, der keine Härten möchte, aber auch keine Verantwortung übernimmt, zum Beispiel für die Überprüfung der 2G-Regeln. Im Kern ist das ja die Beschwerde, dass die Politik zu antiautoritär ist. Leider ist das Gegenmodell (also das Argument für straffe politische Entscheidungen), das sie heranzieht, das falsche: Helmut Kohl hatte sicherlich Widerstände auf dem Weg zur Einheit zu überwinden, aber die Entscheidung war ja gerade von der Zustimmung aus der Bevölkerung getragen. Ich teile in verschiedenen Punkten die Nanny-Kritik, aber Zeh formuliert etwas, was sich sowohl als Wunsch nach mehr Verbindlichkeit, als auch nach stärker autoritärem politischen Agieren lesen lässt. Das sind sehr unterschiedliche Dinge - und ich weiß nicht, ob meinem Verständnis die Präzision fehlt oder ihrer Kritik.
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Viral: TikTok
testet einen "Repost"-Button, der Videos bei Freunden sichtbar macht. Viralität auf Steroiden. Als hätten wir in den Jahren 2015-2021 nichts gelernt.
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Bundeskartellamt: Das
Bundeskartellamt zieht bei Google Paragraph 19a, stellt es also erstmals unter besondere Wettbewerbskontrolle nach dem neuen digitalen Wettbewerbsrecht. Das ist durchaus historisch. Alleine dieser Satz: "Als mit weitem Abstand größte und bedeutendste Suchmaschine der Welt kommt Google unter dem Aspekt der Teilhabe eine Schlüsselfunktion für das gesellschaftliche Leben in Deutschland und weltweit zu." Nun mag man kritisieren, dass das 15 Jahre zu spät kommt, aber ad-hoc funktionieren solche kopernikanischen Wenden nicht.
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Aus der neuen Einstufung ergeben sich mit § 19a Abs. 2 eine Reihe von Eingriffsmöglichkeiten: Abs. 2 (1) Verbot von Vorinstallation der Google-Apps auf Android (oder Alternativ-Auswahl, vgl. Windows & Browser). (2) Öffnung der Bezahlmöglichkeiten für Apps (bereits testweise in Südkorea adressiert) (3) eher theoretisch die Verpflichtung, keine Google-App Android-exklusiv anzubieten (4) Verbot des Zusammenführens von Nutzerdaten (siehe Facebook vs. Bundeskartellamt) (6) die Verpflichtung zu genaueren Conversion-Analytics. Aber das sind natürlich nur die "Ex Post"-Sachen. Und auch nur die Maßnahmen, die mir spontan einfallen. Ich klicke derweil Refresh auf
d-kart.de, dem besten Blog zu Wettbewerbsfragen hierzulande.
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5G & Huawei: Thorsten Benner, in der Sache "5G und Huawei" auch publizistisch Beteiligter, mit einer
interessanten Zusammenfassung dessen, was aus seiner Sicht die Lehren, Lügen und Interessen sind. Die ganze Causa und die Aktivitäten im Hintergrund würden ganz fantastisches Material für einen Longread bieten - allein, es ist und bleibt ein Nischenthema und in Deutschland fehlen in der Regel Wille und Fläche für Rekonstruktionen wie sie z.B. der New Yorker oder Business Week bieten würden.
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Digitale Souveränität: Mit Interesse habe ich verfolgt, dass die schwammige Definition von "Digitaler Souveränität" (
hier gut erklärt von Julia Pohle) offenbar 2022 deutlich hinterfragt wird bzw. auf Konkretisierungen gedrängt wird, zum Beispiel (implizit) in dieser
ZEW-Studie,
von Kaan Sahin oder im
Blog von Stefan Kaufmann. Was vielleicht auch daran liegt, dass die politische Verwendung sich stärker von "Handlungsfreiheit" in Richtung Abschottung/Entnetzung verschoben hat, als der Begriff eigentlich impliziert. Aber so ist das, wenn man Kraut und Rüben in ein Konzept packt (was auch daran liegt, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt, welche Digitalindustriepolitik sich daraus ableitet).
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Corona-Isolation, Corona-Quarantäne: In der aktuellen Diskussion geht einiges begrifflich durcheinander (Isolation = erkrankt; Quarantäne = Kontakt). Und inhaltlich: Zum Beispiel ist aktuell die Quarantäne für genesene und geimpfte Kontakte sogar aufgehoben. Allerdings nur bei Alpha und Delta. Bei Omikron gibt es keine gesonderte Regel, was eigentlich wieder 14 Tage Quarantäne und anschließenden PCR-Test bedeuten würde. Aber wegen der fehlenden Sequenzierung kann gar nicht entschieden werden, wer mit Omikron infiziert ist und wer noch mit Delta. Also wird man letztlich alles gleich behandeln. Beim vorzeigen Ende der Isolation wiederum fehlen gesicherte Daten zum Übertragungszeitraum. Ich nehme aber an, dass man hier die (asymptomatischen) Geboosterten in irgendeiner Form privilegieren wird, alleine schon aus symbolischen Gründen.
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Shopify: Aufschlussreiches
Bloomberg-Firmenporträt mit Fokus auf Gründer Tobi Lütke. Ein Blick ins deutschsprachige Archiv zeigt, dass Shopify hierzulande weiterhin weitestgehend unter dem Radar fliegt. Obwohl Lütke der zweitreichste Kanadier, einer der 20 reichsten Deutschen und Shopify mehr wert ist (oder nach dem jüngsten Kurssturz: war) als jeder DAX-Konzern.
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Fazit des Stücks: Shopify wird doch nicht in Richtung Amazon als "One-Stop-Shop" gehen, der auch die Logistik der Auslieferung übernimmt. Umgekehrt merkt Amazon, dass man die kleinen Händler mit ihren eigenen Domains vernachlässigt hat und man nicht auf den grottigen Marketplace hätte setzen müssen. Entsprechend wird die Luft für Shopify jetzt dünner.
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Fun Fact: Lütke hat das Konzept der "Vertrauensbatterie" (Trust Battery) erfunden, das ich gar nicht so schlecht finde.
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Alexander Kluge: Mit Alexander Kluge verbinde ich immer Sonntagabende meiner Vor-Teenagerzeit: Ich, auf das Spätwerk von Monty Python's Flying Circus im Hessischen Rundfunk wartend, aber nach dem Umschalten auf Sat. 1 (?) zu seiner Interview-Reihe rätselnd vor dem TV sitzend und sich fragend, was das soll (den Ausdruck WTF gab es damals noch nicht). Sagen wir es so: Obwohl es ja in gewissen Kreisen als Zeichen von Intellektualität gilt, Kluge zu bewundern (weil das ja einschließt, dass man seinen Referenzrahmen versteht), ist ihm nicht immer leicht zu folgen. Und seine Assoziationen erfüllen bei genauerem Hinsehen oft die Rolle eines Aperçus. Im (meist sehr empfehlenswerten)
Podcast "Future Histories" sagt Kluge Sachen wie "Wenn wir hier beide sitzen, dann sitzt ja bei Ihnen und mir auch der Vogel. Der Professor
Josef Vogl, der sitzt ja in Princeton, weit weg von uns, also in einer anderen Tageszeit. Sehen Sie mal: Aber der sitzt in unseren Köpfen auch." Was natürlich für Außenstehende etwas irre klingt, aber womit geklärt wäre, mit wem Kluge damals im TV diese rätselhaften Dialoge führte.
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Was ich an Kluge mag: Dass in seinen Assoziationen die Überzeugung steckt, dass Sinnfindung in diesem ganzen aufgetürmten Gewesenen möglich ist. Ein fröhlicher Bricoleur, beinahe religiös von einer Welt beseelt, in der ein man nur die richtigen Bruchstücke aus den Trümmerhaufen ziehen muss, um eine ganze Zivilisation weiterzubauen.
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Poland’s government scrambles to minimize hacking backlash
politico.eu#
"Der Spiegel" ist 75: Die frühen Jahre eines unbotmäßigen Magazins
fr.de#
Deutschland und die wirtschaftlichen Covid-Folgen: Laut
dieser Economist-Rangliste steht Deutschland erstaunlich schlecht da. Irgendwie völlig gegenläufig zu dem Narrativ "Wir haben es (wirtschaftlich) besser als die anderen geschafft". Gründe laut Economist: Weniger als anderswo steigende Aktienpreise, abnehmendes Investitionsvolumen, leicht sinkendes Haushaltskommen.
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Forschung über Ernährung:Riots not Diets
taz.de#
Die Frage der amerikanischen Verlässlichkeit: Ob bei der Klimapolitik oder beim Atom-Deal mit dem Iran: Die USA sind inzwischen per politischer Situation strukturell unzuverlässig. Weil eben damit zu rechnen ist, dass eine Regierung etwas beschließt, das die andere Regierung dann wieder kassiert. Die (besonders sicherheits-)politischen und unternehmerischen Folgen dieser fehlenden langfristigen Planbarkeit scheinen mir in ihrem ganzen Ausmaß noch nicht wirklich auf dem Radar.
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Casey Newton, als einziger "Einzelkämpfer" Teil des Auswertungs-Konsortiums, hat
Bauchschmerzen rund um die Haugen-Dokumente:
"It’s also clear that Haugen has become extremely useful to an array of interest groups who, for one reason or another, would like to see Facebook disappear - for societal reasons, corporate reasons, or both. And that the press, which is generally predisposed to assuming the worst about Facebook but has lacked internal data to support its concerns, will now make matching documents to its prior assumptions a central editorial project of the next six weeks." #
Da schwingt ein bisschen von dem Spin mit, den Facebooks Chef-PR-Mensch Nick Clegg zuletzt ausgegeben hatte: Medien üben Kritik an Facebook, weil sie ihre Gatekeeper-Rolle verloren haben. Was natürlich etwas billig ist.
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Was daran stimmt: Die Facebook-Kritik aus einigen Verlagsmedien war schon zu vernehmen, als es noch gar keine Skandalplattform war. Gut vorausgesehen, kann man sagen. Oder man kann es auch in die legacymediale Digitalfeindlichkeit der Nuller- und teilweise Zehnerjahre einsortieren. Die Wahrheit liegt womöglich irgendwo dazwischen. Oder ganz woanders.
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In diesem Zusammenhang
fordert Charlie Warzel, auch Forschern den Zugang zu den Dokumenten zu geben bzw. sie einfach zu veröffentlichen. Aus Transparenzgründen, aber eben besonders, weil sich so auch andere Akteure ein Bild machen können. Die ganze "Instagram-macht-Teenagerinnen-unzufrieden-und-depressiv"-Geschichte aus dem WSJ zeigt ja, wie wichtig es ist, solche Materialien online zu stellen (mir ist klar, dass das rechtlich und datenschutzrechtlich nicht trivial ist).
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Übrigens: Genau solche Fragen anzusprechen, abzuwägen und auch Meta-Ebene und eigene Rolle zu thematisieren: Das halte ich auch für klassische Medien für sehr relevant. Dabei nicht als Vertreter einer Redaktion, sondern als man selbst glaubwürdig zu sein: Das kann nur das Blogging-/Newsletter-Business. ----------------------------------------------------------
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Five points for anger, one for a ‘like’: How Facebook’s formula fostered rage and misinformation ($)
washingtonpost.com#
Iran says cyberattack closes gas stations across country
apnews.com#
Drachenlord: Drachengame over? (€)
zeit.de#
AI and maths to play bigger role in global diplomacy, says expert
theguardian.com#
Wie relevant ist die neue r/antiwork Welle in Deutschland? Habt ihr etwas ähnliches erlebt? (Reddit)
reddit.com#
Dieser Plan sichert Deutschlands Zukunft (€)
wiwo.de#
Nebenbei: 97 Milliarden US-Dollar Ausgaben im kommenden Jahr (davon einige Milliarden Metaverse R&D)?? Das ist wirklich eine unglaubliche Summe.
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(1) Die FAZ macht heute - leider nur anlässlich einer
Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung -
das Thema Staatsreform auf (€). Ein völlig unterschätztes Thema. Ich klammere jetzt mal Aspekte wie Ministeriengröße, Vergaberecht, Zuständigkeiten im Krisenfall oder Steuer- und Bildungsföderalismus aus, sondern sondern breche es auf das Digitale runter: Von der Cybersicherheit über die Verwaltungsdigitalisierung bis zur Rolle des Digitalen in der Schule lassen sich viele Probleme auf die Bund-Länder-Kommunen-Zuständigkeit zurückführen. Eine Grundgesetz-Änderung (Bund zuständig für "Digitalisierung" wie für "Telekommunikationswesen") ist heikel und wäre auch schwer durchzusetzen, würden die Länder doch Kompetenzen abgeben müssen. Und es würde einen Teil der Umsetzungs- und Kulturprobleme nicht lösen. Aber vielleicht würde es als Teil eines großen Gesamtpakets klappen. Die Ampel-Koalition hat bekanntlich Modernisierung versprochen, aber mit drei Parteien und einer auf Arbeitsebene (AG, Kommission, was auch immer) eingebundenen Union könnte man eine breite Basis schaffen. Klingt natürlich angesichts der bisherigen Föderalismusreformen naiv, aber Modernisierungsstau wurde ja von den beteiligten Parteien immerhin als Hauptproblem erkannt.
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(2) Weiterer spannender Punkt: Klima-Investitionen durch institutionelle Anleger mit Hilfe staatlicher Garantien/Haftungen hebeln. War ja auch bei Startups und Risikokapital-Aktivierung ein Thema. Ein Finanzminister Lindner könnte hier tatsächlich stärker ins Risiko gehen als es einem Finanzminister Scholz möglich erschien. Eigentlich folgt für mich aus dem Thema "Aktivierung des Privatsektors für Klimainvestitionen" zwangsläufig, dass die FDP das BMF bekommt (fairerweise sei aber gesagt: das ist absolut nicht mein Fachthema). ---------------------------------------------
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Der
aktuelle Exponent-Podcast ist ein guter Einstieg in die Konzepte, die
Ben Thompson bei Stratechery in den vergangenen Monaten ausgearbeitet hat (konkret: Der Ende vom Anfang der technologischen Revolution). Einen blinden Fleck fand ich auffällig: Dass sie den gegenwärtigen Crypto-Hype in keiner Weise mit dem allgemeinen Niedrigzins- und -renditen-Invesitionsumfeld in Verbindung bringen. Eine andere Sache fand ich interessant, aber naiv: Dass wir im historischen Rückblick die gegenwärtige Gleichzeitigkeit von Crypto und dem Übergang auf erneuerbare Energien erkennen werden. Was wiederum indirekt in die vorwiegend in den USA geführte Debatte über das
Zeitalter des "Energiereichtums" hineinspielt. Das ist natürlich ein völlig anderes (und bequemeres) Setting als unser schnödes an Gegenwart und Erfahrung ausgerichtete "Wir müssen weniger Energie verbrauchen" und "Crypto-Mining ist eine CO2-Schleuder". Man könnte langsam ein schönes Schaubild über die unterschiedlichen Klima-Philosophien machen. Ich würde tippen, dass es beim Energiereichtum eine große Überschneidung zu den Überzeugten der Fusionsenergie gibt. Und "Green Growth" vs. "Degrowth" müsste natürlich auch rein.
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Ransomware Gang Masquerades as Real Company to Recruit Tech Talent ($)
wsj.com#
Apple Will Face Pressure to Store More Customer Data in China Under New Laws ($)
theinformation.com#
From pirates to ransomware: the secret economics of extortion ($)
economist.com#
Mein Kommentar zum BSI-Lagebericht zur IT-Sicherheit in Deutschland. Ich gebe zu, eher etwas feinschmeckerisch (und das ist nicht unbedingt gut), weil es mehr um die Rolle des BSI als über den Bericht selber geht. Aber ich kann ja nicht jedes Jahr das Gleiche sagen. (Ich hätte allerdings wirklich gerne nochmal über das ITSec-Problemfeld Kommunen geredet, bei dem das BSI nur bedingt Einfluss hat, aber das wäre nicht in 2:45 gegangen)
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Ryan Broderick
mit einer Gegenrede über TikTok-Ticks (
siehe gestern). Für ihn sind solche Artikel Beispiel für Technopanik, also Panik bei technologischen Veränderungen. Gleichzeitig schränkt er ein, dass es reale Probleme von Teenagern gibt, die TikTok nutzen. Ich denke, am Ende geht es um Differenzierung: Eine "Mass Psychogenic Illness", die einen Tick hervorbringt, ist wahrscheinlich etwas anderes als eine Instagram-induzierte Essstörung. Oder eine anschlussfähige Psycho-Verschwörung in Gestalt der
Gangstalking-Paranoia. Nur, und das haben solche Echtzeit-Phänomene an sich: Welches Problem später einmal als schwerwiegender gelten wird, können wir aus dem Blickwinkel der Gegenwart unscharf bis gar nicht sehen.
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Ich frage mich ja, was im Jahr 2021
solche Artikel mit der Zusammenfassung eines von Videos in indirekter Rede bringen sollen.
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Ich habe keine Nachrufe über Colin Powell gelesen, aber
das hier (im Kontext, dass er trotz seiner Kritik am Irak-Feldzug nicht zurücktrat) scheint mir sehr korrekt beobachtet, besonders auf die Trump-Jahre bezogen: "To the extent that he justified his continued presence as a moderating influence, that he stuck around after abandoning the leverage resignation would have offered meant Bush was free to keep him as a totem against criticism. By remaining in his role, Powell set a template for how future officials, uniformed and civilian alike, would find their image used to commit malfeasance in office, on behalf of cynical presidents who would discard them the moment they came into real conflict."
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Africa urged to wake up to growing state surveillance threat
rnz.co.nz#
Why we place too much trust in machines
bbc.com#
Koalitionsverhandlungen: How To Ampel (€)
zeit.de#
Zwei seltsame, durchaus beunruhigende Artikel aus der vergangenen Zeit:
Die Wired berichtete jüngst über tic-artiges Verhalten einer ganzen Reihe junger Menschen, die Videos eines deutschen Youtube-Influencers mit Tourette-Syndrom gesehen hatten. Nun
berichtet das Wall Street Journal ($) über ein ähnliches Phänomen rund um die jungen Anhängerinnen von Tourette-TikTokerinnen. Das Ganze ist offenbar zumindest auf dem Verbreitungslevel, dass es bereits erste Studien darüber gibt. Es sieht viel nach einer Entgrenzung der "Mass Psychogenic Illness" durch die weltweite Vernetzung aus. ---------------------------------------
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Diese
ausführliche Grünen-Wahlkampfanalyse aus der Sicht eines langjährigen Parteimitglieds (und Ministeriumsmitarbeiters) enthält eigentlich alles, was man zu dem Thema wissen muss. Eine Kampagne, der es beim Aufeinandertreffen von Reißbrett und Realität an Flexibilität fehlte. Tatsächlich wird erst im Rückblick deutlich, wie weit weg Baerbocks Wahlkampf-Erzählung von der konkreten politischen Auseinandersetzung war. Unter anderen Umständen hätte das - siehe Scholz - vielleicht sogar eine Gewinnerinnentaktik sein können, so aber verstärkte sich unbeabsichtigt die Defensivhaltung, in der die Grünen-Kampagne seit Beginn des Sommers verharrte.
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The booming business of knitting together the world’s electricity grids (€)
economist.com#
Mongolia's missing millions: What happened to a decadelong mining boom
asia.nikkei.com#
Die Philosophie-Professorin Carissa Véliz
argumentierte jüngst (etwas umständlich formuliert), warum Apple Überwachung normalisiert. Und klar: Wer sich an die Einführung von Fingerabdruck-Entsperrung oder Face ID erinnert, weiß, was sie meint. Dennoch sind bestimmte wellenartige Bewegungen bei modernen Überwachungstechniken schwer einer einzelnen Ursache zuzuordnen. Alleine diese Woche führte die Moskauer
U-Bahn Bezahlung per Gesichtserkennung ein, offenbar mit zunächst großem Erfolg. Und in Großbritannien können Kinder in Schulkantinen nun ebenfalls zahlen, ohne stehenzubleiben, indem sie
ihr Gesicht scannen lassen. Hat jetzt Apple mit Face ID den Weg geebnet? Oder das "chinesische Bezahlmodell"? Oder gibt es einen versteckten Zusammenhang mit den Erfahrungen der Corona-Krise? Liegt es einfach daran, dass solche Systeme günstiger werden? Oder wollen/müssen die Betreiber einfach Personal einsparen? Alles spannende Fragen zu diesem Trend. Falls es denn ein Trend wird.
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Wenn das Ende der Pseudonymität im Online-Bereich kommt, dann zuerst in Großbritannien. Bereits nach den rassistischen Ausfällen gegen schwarze englische Fußballspieler bei der EM gab es dazu eine vielgezeichnete Petition; nachdem der Abgeordnete David Amess vergangenen Freitag bei seiner Abgeordneten-Sprechstunde getötet wurde,
ließ Innenministerin Priti Patel verlauten, dass man bei der Anonymität "große Veränderungen" vornehmen möchte. In der Bevölkerung findet das Unterstützung: Drei Viertel aller Briten sind einer
YouGov-Umfrage zufolge für eine Online-Klarnamenpflicht bei Social Media oder zumindest einen Identitätsnachweis bei der Registrierung.
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Vorwürfe gegen Assange: Der Fleck auf ihrem Laken (€)
spiegel.de#
Eine derartige Missachtung von Compliance-Prinzipien kommt in den USA nicht gut an. Und auf den US-Markt zielt diese Geschichte, denn Springer ist dort nun ein ernstzunehmender Akteur. Auch KKR wird das zur Kenntnis nehmen. (Problematische Führungsentscheidungen sind allerdings auch der NYT nicht fremd,
siehe der Fall Don McNeil)
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Dass mit der
New York Times ein ausländisches Medium die Sache scoopt, ist durchaus eine Backpfeife für die deutschen Medien. Mit Ausnahme der Buzzfeed/Ippen-Leute natürlich. Der Stopp der Investigativgeschichte durch den Verleger hinterlässt den Eindruck, dass es einen ungesunden brancheninternen Corpgeist in den Führungsetagen gibt. Auch etwas, das international wahrgenommen wird.
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Ich habe
es bereits an anderer Stelle geschrieben: Der Medienjournalismus als Branchenjournalismus ist in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen (die oft Startups oder Einzelkämpfer/Einzelkämpferinnen sind) schwach. Strukturell durch die Ausstattung und Ausrichtung; auf der Kompetenz-Ebene, was die Digitalisierung betrifft. Würde man einzig die Medienseiten bekannter deutscher Tagestitel und die Medienklickdienste konsumieren: zu redaktionellen Missständen und dem fortgesetzten Brain Drain, zu realistischen Zukunftsaussichten der Branche und bedenklichen handwerklichen Entwicklungen im Redaktionsalltag würde man wenig bis nichts erfahren.
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Re: Ippen-Leak - es ist ja recht klar, woher das kommt. Braucht man einen Arsch in der Hose für. Auf Verlegerseite wird man das in der Branche als künftige Warnung vor
Aqui-hires wahrnehmen (zumindest bei Investigativteams).
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Der Sozialrechtler Stefan Sell ist eine bloggergewordene sozialpolitische Schatzkiste (er verzeihe mir die Verdinglichung, sie ist freundlich gemeint). Wie er mit seinem Fach- und Kontextwissen die
sozialpolitischen Vorhaben aus den Sondierungspapieren aufgearbeitet hat, ist kaum zu schlagen. Besonders die anklingende Reform des Zusammenspiels von Bund, Ländern und Kommunen scheint mir eine sehr spannende Fährte. Schade, dass viele lineare Populär-Medien ihrer Leserschaft nicht zutrauen, sich etwas tiefer mit solch sachpolitischen Tiefen zu beschäftigten.
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Zur Digitalpolitik im Sondierungspapier -> Drei Sachen, die ich interessant finde. (1) Das BMI wird offensichtlich weniger Digitalisierungspolitik machen. Das ist ein guter Schritt. (2) Die komplette Neuauflage der Digitalstrategien (genannt: KI-Strategie, Datenstrategie und Blockchain-Strategie) ist ein FDP-Wunsch und völlig richtig. Denn die scheidende Bundesregierung hat - und das nicht nur im Digitalen - nie wirkliche "Strategiepapiere" veröffentlicht, sondern Stoffsammlungen, zudem ohne überprüfbare Ziele und Benchmarks. (3) Dass die KfW zur "Innovations- und Investitionsagentur werden soll", ist ein kleiner geschichtlicher Treppenwitz. Denn bis 2003 gab es die DtA (Deutsche Ausgleichsbank), die mit ihrer Gründerförderung damals die deutsche Tech-Branche förderte und genau für solche Innovationsvorhaben prädestiniert gewesen wäre. Doch die Schröder-Regierung gliederte die DtA in die KfW ein, die vor allem auf die allgemeine Mittelstandsförderung nach vorne stelle. 18 Jahre später hat man offensichtlich gemerkt, dass man etwas verpasst hat.
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