Das übliche Lamento: "Tod durch Algorithmus" lautet der Titel, und man ahnt, dass man sich im Feuilleton befindet. Aber es wird noch deutlicher: So lautet
das Fazit im zugehörigen Artikel (€) von SZ-Filmkritikerin Susan Vahabzadeh nach der Lektüre eines neuen Buchs über HBO. "Gute Sender (wie auch gute Filme, Verlagsprogramme und Zeitungen) werden nicht von Algorithmen gemacht, die richten sie vielmehr mittelfristig zugrunde. Die richtigen Entscheidungen treffen Menschen mit Maßstäben – und zwar ihren eigenen."
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Hier geht natürlich einiges durcheinander. Konkret ist unklar, was genau sie vergleicht. Netflix mit HBO? Netflix mit HBO früher? HBO heute mit HBO früher? Oder geht es um Zeitungen? Es wird auch nicht analysiert oder überhaupt erwähnt, dass die HBO-Strategie mit HBO Max durchaus erfolgreich und eben kein Ramsch ist - oder welche Rolle Daten wirklich bei der Entwicklung von Bewegtbild-Formaten spielen. Mich lassen solche Analysen immer ratlos zurück, weil sie wie als These verpackte Geschmacksurteile wirken. Was auch nicht erwähnt wird: Bei dem HBO-Buch handelt es sich um eine Oral History, ein Format, bei dem die Akteure oft eine gewisse Verklärung ihrer eigenen Rolle betreiben, die nur durch das Panorama der Gesamt-Anordnung relativiert wird. Natürlich wird jeder Programmchef, jede A&R-Frau in der Musikindustrie, jeder Kurator betonen, wie kreativ und losgelöst sein Prozess ist (statt über Budgets und Zufallserfolge zu sprechen).
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Mein Eindruck ist, dass diese klassische Sehnsucht nach der Zeit des "Gesamtpakets", dessen inhaltliche Entscheidungen sich nicht an Börsenkursen und Gewinnerwartungen orientieren, ein klassisches Print-Phänomen ist. Im Kern ist es das ja auch die Sehnsucht nach einer alten Zeitungsbranche, die sich tatsächlich angesichts ihrer Verbreitungsoligopole für schriftliche Tagesnachrichten lange Zeit keine redaktionellen Gedanken machen musste. Und sich deshalb Feuilletons leisten konnte, die als "freier" Teil dieses Pakets nicht auf eine breite Rezeption ihrer Texte angewiesen waren.
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Social Media und Werbeboykott-Bewegungen: Ein überraschend
hörenswerter Podcast mit Matt Rivitz, dem Menschen hinter dem
Twitter-Account Sleeping Giants, einem Pressure-Group-Account, der erfolgreich Social-Media-Plattformen an den Pranger stellt und Firmen zu Werbeboykotten aufruft. Was auch immer man von dem Konzept halten will (ich: nicht viel): Rivitz geht sehr reflektiert mit dem um, was er macht (bzw. machte, er will den Account abgeben).
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Eine Lehre: Wenn Firmen auf solche Aufrufe reagieren, tun sie es nicht aus Überzeugung, sondern weil sie ein PR-Problem sehen. Daraus zieht Rivitz zwei Schlüsse: Einmal fordert er größere Transparenz für die Reichweite von Online-Werbung, die er (IMO mit Recht) für zweifelhaft hält. Das ist Sache der Regierung. Zugleich aber fordert er einmal mehr gesellschaftliche Verantwortung von jenen Unternehmen, die eben eigentlich nur ein PR-Problem sehen. Und genau das zeigt eben den vergeblichen Kreislauf solcher Boykott-Forderungen: Nämlich die Illusion, mit ausreichend Druck statt einer Reaktion eine Einsicht zu erzeugen.
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3x Trump: 1. Donald Trump
hat angekündigt, im Falle eines erneuten Wahlsiegs über eine Begnadigung der "Aufständischen" vom 6. Januar 2020 nachzudenken. 2. In der gleichen (Wahlkampf-)Rede hat er erstmals zugegeben, dass er explizit sein Ziel beschrieben hat, damals mittels Mike Pence das Wahlergebnis umzudrehen. 3. Fast zwei Dutzend Republikaner, die öffentlich die Legitimität der Wahlergebnisse von 2020 in Frage stellen,
kandidieren in US-Bundesstaaten für das Amt des Innenministers. Innenminister spielen in den Bundesstaaten eigentlich keine besonders große Rolle, sind aber für die Organisation von Wahlen verantwortlich.
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